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Nach den grundlegenden Betrachtungen zur Gebirgsbildung
erläutert diese Seite die Entstehung des Himalaya
in den Abschnitten:
Folgen einer Plattenkollision Zerfliessendes Gebirge Von uns belegter Prozess: Duktile Extrusion

Die Reise der Indischen Platte

  Tektonisches Modell zur Extrusion der 'Greater Himalayan Sequence'

Folgen einer Plattenkollision

Zusammen mit dem Hochland von Tibet umfasst das Himalayagebirge mit einer Fläche von über einer Million Quadratkilometern die grösste Bergmasse der Erde. Die dramatische und sehr abwechslungsreiche Topographie entstand in den letzten 50 Millionen Jahren, nachdem die kontinentale indische mit der kontinentalen eurasischen Platte kollidierte. Vor dieser Zeit driftete die indische Platte zwar auch schon gegen den eurasischen Kontinent, aber mit ozeanischer Lithosphäre, die laufend subduziert wurde. Der dabei "verschluckte" Ozean hiess Tethys und war letzlich nur die östliche Fortsetzung des gleichnamigen Ozeans, der vor der Alpenbildung zwischen Afrika und Eurasien bestanden hatte. Erst als der kontinentale Teil der indischen mit der eurasischen Platte kollidierte, begannen die beiden kontinentalen Massen, sich ineinander zu verkeilen, sich gegenseitig hinauf- bzw. hinabzudrücken: Während ein Teil Indiens unter Tibet gedrückt wurde, wurde der obere Teil rückwärts auf die indische Platte hinaufgeschoben, also auf sich selbst plaziert. Diese Bewegungen wurden durch die Bildung mehrerer grossmassstäblicher Überschiebungsflächen ermöglicht. Durch dieses Aufeinandertürmen von kontinentalen Krustenpaketen wurde der Himalaya gebildet. Vor der Kontinentalkollision mit Eurasien hatte die indische Platte etwa eine Geschwindigkeit von 15 bis 20 cm/Jahr, nach der Kollision wurde diese auf 5 cm/Jahr reduziert. Mit dieser Geschwindigkeit ist Indien nun während der letzten 40 Millionen Jahre beharrlich 2000 km in den eurasischen Kontinent vorgerückt, was zu einer Verdoppelung der Krustendicke, zur Hebung des Himalaya und zur Bildung des tibetischen Hochplateaus geführt hat. Die heutigen Hebungsraten bewegen sich zwischen 5 bis 8 mm/Jahr. Im Himalaya finden sich jedoch auch Orte mit einer Hebung von 1 cm/Jahr, was 10 km in einer Million Jahre entspricht. Diese Hebungsgeschwindigkeiten sind etwa fünfmal höher als diejenigen in den Alpen. Bei diesen beachtlichen Wachstumsraten ist es erstaunlich, dass die Berge im Himalaya "nur" 8 bis 9 km hoch sind. Es stellen sich deshalb die Fragen: Warum ist der Himalaya nicht höher, wo befindet sich heute das "fehlende" Material? Wie hoch können Berge werden, und welche Kräfte hindern sie am unendlichen Wachstum?

Zerfliessendes Gebirge

Stark verdickte Kruste ist innerhalb geologischer Zeiträume nicht stabil. Sie verfügt über eine gewisse Plastizität, so dass sie im Verlauf der Jahrmillionen "zerfliesst", was sich auf die Höhe des Gebirges auswirkt. Wenn Material nicht fortlaufend mit einer der Hebung entsprechenden Wachstumsrate abgetragen wird, würden die Berge schnell eine Höhe erreichen, die von der Erdkruste nicht mehr getragen werden könnte. Sie würden dann kollabieren, oder die Kompressionsdeformation würde sich auf einen andern Ort verlagern. Findet man im Himalaya Spuren solchen "Zerfliessens" oder "Kollabierens"? Neuere Forschungsergebnisse, darunter wichtige Beiträge von Geologen der ETH Zürich5-9, haben nun gezeigt, dass die Verdickung der Kruste im Himalaya infolge kompressiver Kollision Hand in Hand mit einer Dehnung geht - auf den ersten Blick paradox (man drückt etwas zusammen und es dehnt sich). Die kompressive Verdickung und Hebung äussert sich in einem System von parallelen Überschiebungen am südlichen Rand des Himalaya, angrenzend an die Hügel und die Gangesebene (Main Central Thrust und Main Boundary Thrust), an denen der obere Teil der indischen Kruste übereinandergestapelt wurde. Gleichzeitig hat sich nördlich davon ein System von Dehnungsstrukturen in Form von flachen Abschiebungsverwerfungen gebildet (South Tibetian Detachment). Nördlich davon ist die Kruste abgeschoben worden und hat sich dadurch von der Gebirgskette entfernt. Die Hauptverwerfung dieses Systems kann beispielsweise auf dem Mt. Everest gesehen werden. Es handelt sich dabei um die wichtigste tektonische Struktur, die den Himalaya von seinem Gewicht entlasten kann. Werden in der Regel Abschiebungen als Indikator für eine sich dehnende Kruste verstanden, trifft dies also beim Himalaya nicht zu, denn er befindet sich insgesamt ja in einem Prozess der Kompression und nicht der Dehnung.

Blick auf den Mt. Everest

 

Das berühmte "Gelbe Band": Hauptverwerfung der südtibetischen Abscherzone

Tektonisches Modell zur Extrusion der 'Greater Himalayan Sequence' Von uns belegter Prozess: Duktile Extrusion

Es ist eine Eigenheit von Kollisionsgebirgen wie dem Himalaya oder den Alpen, dass man in ihnen heute hoch oben an den Bergen Gesteine findet, die während der Gebirgsbildung in grossen Tiefen (bis über 50 km) zu hoch metamorphen Gesteinen umgewandelt wurden. Die Frage, wie diese Gesteine in geologisch gesehen kurzer Zeit an die Oberfläche gelangen konnten, beschäftigt heute die Forschung intensiv, und der Himalaya als sehr junges Gebirge ist wohl eines der besten Studienobjekte. Allgemein gilt, dass tief versenkte Gesteinseinheiten durch Freilegung entlang von bestimmten Abschiebungsflächen an die Oberfläche gelangen können. Die geologische Situation in Bhutan gibt nun klare Hinweise dafür, dass auch duktiles Fliessen ganzer Krustenpakete, die sogenannte duktile tektonische Extrusion, ein wichtiger Faktor der Freilegung sein kann.

Aufschlüsse und Gesteine

  Experimente zur Gebirgsbildung

Aufgrund von Feldarbeit und Laboranalysen konnten wir zeigen10,11, dass die Freilegung von hoch metamorphen Gesteinen in der "Greater Himalayan Sequence" tatsächlich in einem kompressiven Regime bei gleichzeitig wirkenden Überschiebungen (Main Central Thrust) und Abschiebungen (South Tibetian Detachment) stattgefunden haben musste. Die Deformation hat sich jedoch nicht auf einzelne Flächen konzentriert, sondern die gesamte Greater Himalayan Sequence in Form von duktiler Verformung der Gesteine durchdrungen. Das tektonische Modell für die Freilegung des zentralen Himalaya in Bhutan weist also eine südgerichtete duktile Extrusion des Krustenteils der Greater Himalayan Sequence auf. Dies führte zu einer sehr raschen Freilegung von tief versenkten metamorphen Gesteinen. Unsere Untersuchungen deuten im weiteren auch darauf hin, dass die metamorphen Gesteine der Greater Himalayan Sequence aus viel grösserer Tiefe exhumiert wurden, als bisher angenommen wurde, und dass die Bildung der vielen geologisch jungen Himalaya-Granite (14-24 Millionen Jahre) mit der duktilen Extrusion kausal verbunden war. Zur Erforschung der Zusammenhänge werden jetzt auch Labor-Experimente durchgeführt, in denen Aspekte der Gebirgsbildung möglichst 'naturgetreu' nachgebildet werden.



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