Geometrische 3D-Modellierung und Visualisierung eines Sandbox-Experiments: Transpressionstektonik im präkambrischen Ribeira-Belt (SE-Brasilien)

Ch. Lindenbeck (1), H. Ulmer (2), H. D. Ebert (3) & R. Pflug (4)

(1,2,4) Geologisches Institut, Albert-Ludwigs-Universität, Albertstr. 23-B, 79104 Freiburg im Breisgau, (3) Instituto de Geociências, Universidade Estadual Paulista, CEP 13.500-230 Rio Claro, SP, Brasil


Abbildungen zum Vortrag: (gehalten am 18. Okt. 96 auf dem 15. Geowissenschaftlichen Lateinamerika-Kolloquium in Hamburg)
Die Bifurkation der präkambrischen Ribeira- und Brasília-'Mobile-Belts' südlich des São Francisco Kratons wird als Produkt einer schrägen Kollision dreier kontinentalen Massen (Brasília, São Paulo und Vitória) interpretiert. Die Faltengürtel sind durch vulkanoklastische Abfolgen, syn- bis spättektonische Granite und Basementgneise gekennzeichnet, die von duktilen Scherzonen überprägt sind. Die Suturzonen sind durch Granulitgürtel und ausgeprägte magnetische und gravimetrische Anomalien gekennzeichnet. Jeder der drei Falten- und Schergürtel weist einen eigenen strukturgeologischen Stil auf.

In E-W streichenden Anteilen entwickelten sich überwiegend Seitenverschiebungen. Einengungsstrukturen sind in NE-SW-Anteilen von zunehmender Bedeutung und herrschen in N-S-gerichteten Faltengürteln vor. Übergänge zeigen, dass regional eine Aufteilung der Verformung (strain partitioning) stattgefunden hat, die durch unterschiedliche Konvergenzwinkel der Platten gesteuert wurde (Ebert et al. 1993).

Die tektonische Modellvorstellung ist durch Analog-Experimente getestet worden, die bei CENPES/PETROBRAS (Rio de Janeiro) in einer Sandbox (62 x 35 x 6 cm) durchgeführt wurden. Im Maßstab von 1 : 2.500.000 bilden 3 Platten auf ihrem Boden die Umrisse der Kontinentalmassen ab.

Die 40 km Krustenmächtigkeit wurde durch 8 je 2 mm mächtige Quarzsandschichten (Korngrösse = 0.42 mm) dargestellt. Initial erstreckten sich zwischen den Platten 115 bis 200 km breite Becken. Die dünnere Kruste der Becken wurde aus 6 Schichten aufgebaut. Die Experimente simulieren eine E-W gerichtete Einengungstektonik, die zur Schliessung der Becken führte.

Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung eines geometrischen 3D-Modells der Deformationsstrukturen des Sandbox-Experiments. Die perspektivische Visualisierung erweitert die Möglichkeiten zur Interpretation der analogen Simulation. Das Sandmodell wurde senkrecht zu den Kollisionsstrukturen angeschnitten und die Schnitte fotografiert. Aus der gesamten Abfolge wurden 5 Grenzflächen der gefalteten und gestörten Sandlagen digitalisiert. Mit dem Programm Trip wurden die digitalisierten Horizonte in Modellparts (Horizontabschnitte) untergliedert. Zwischen den Parts aufeinanderfolgender Schnittlagen wurden Dreiecksnetze trianguliert. Die Kombination aller Dreiecksnetze der Horizontsegmente und Störungsbahnen resultierte in einem geometrischen 3D-Modell des deformierten Sandkörpers.

Zur Visualisierung von Grenzflächen-Modellen dieser Art ist das Programm Geo3View (Lindenbeck & Ulmer 1995) entwickelt worden. Die Horizonte und Störungsbahnen werden in einem 3D-Studio beliebig orientiert und die Szene von mehreren Lichtquellen beleuchtet. Den Modellparts können verschiedene Attribute wie Farbe und Transparenz zugeordnet werden; alle Parts können separat ein- und ausgeblendet werden. Detailansichten jedes beliebigen Subvolumens des Modells können mit Hilfe von 6 Clipping-Ebenen eingestellt werden. Die interaktive Veränderung des Beobachtungsstandorts erleichtert die Interpretation der Strukturen.

Während die duktilen Blattverschiebungsstrukturen auf der Oberfläche zu erkennen sind, zeigt das 3D-Modell den Stil der Einengungstrukturen, z. B.: Falten, in denen +- achsenparallele Störungen entwickelt sind. Die symmetrische und konvergente Lage der Faltenachsen und Störungen, die parallel zu den Blattverschiebungen streichen, entsprechen duktilen positiven 'flower structures'. Die gleichzeitige Entwicklung beider Strukturgruppen beweist, dass die Aufteilung der Verformung zwischen Blattverschiebung und Einengung, in Abhängigkeit vom jeweiligen Konvergenzwinkel der Platten, ein wichtiger Mechanismus zur Akkommodation schräger Kollisionstektonik in tiefen krustalen Stockwerken wie dem Ribeira-Belt ist.

Literatur

Ebert, H. D., Hasui, Y., Sartorato, G., Almeida, S.H. & Costa, J.B.S. (1993): Arcabouco estrutural e tectonica transpressiva das faixas moveis da bordas sul e sudeste do Craton do São Francisco e da Sintaxe de Guaxupe. 4. Simp. Nac. Estudos Tectonicos, Anais, Belo Horizonte, SBG-MG. p. 166-171.

Ebert, H.D.; Neves, M.A.; Hasui, Y., Lopes, J.A. & Guerra, M. (1995): Compartimentacao crustal e evolucao cinematica da Provincia Mantiqueira atraves de modelagem fisica. 5. Simp. Nac. Estudos Tectonicos, Bol. Resumos Expandidos, Gramado-RS, SBG-RS, p. 26-28.

Lindenbeck, Ch. & Ulmer, H. (1995): Entwicklung und Anwendung von Computerprogrammen zur Visualisierung geologischer Strukturen und Prozesse.- Freiburger Geowissenschaftliche Beiträge, 9, 280 p.


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